Frauen und Organisationsänderungen

Organisationsänderungen scheinen mir so alt zu sein wie die BA (und älter als die Jobcenter). Leider mit einer scheinbar inflationären Tendenz in den letzten Jahren. Durch die Erweiterung der Arbeitsformen (Homeoffice, Videoberatung etc.) einerseits, den regional immer größer werdenden fachlichen Einheiten (Interner Service – IS -, Operativer Service – OS -, Regionales Infrastrukturmanagement – RIM -, neuen Standorten in den Jobcentern – JC – insbesondere in Kreisen und großen Städten) andererseits, sind insbesondere Frauen betroffen.
Zum einen, weil auf vielen Tätigkeitsebenen bis zu 70 Prozent Frauen beschäftigt sind, zum anderen, weil der weit überwiegende Teil der Teilzeitbeschäftigten auch in BA und Jobcentern Frauen sind.
Unabhängig davon, ob es fachlich sinnvoll war, immer größere Organisationseinheiten zu schaffen, gab und gibt es ganz konkrete Probleme, die sich daraus für unsere Kolleginnen ergeben. Dazu kommen noch die technisch und fachlich geänderten Anforderungen:

  • Organisationseinheiten über große Flächen wie z.B. IS oder RIM mit teilweise nur zwei Standorten in einem Regionaldirektionsbezirk oder Servicecenter für SGB III und SGB II an unterschiedlichen Standorten, bedeuten längere Fahrzeiten zum Dienstort.
    Kolleginnen und Kollegen waren teilweise gezwungen, die Arbeitszeit -weiter- zu reduzieren, um den Familienpflichten (z.B. Abholen der Kinder von der Betreuung/ Termine der ambulanten Pflegedienste) nachkommen zu können.
  • Längere Wege zum Dienstort bedeuten auch höhere Kosten. Zusätzliche Ausgaben, die gerade Alleinerziehende und / oder die Kolleginnen in den niedrigeren Tätigkeitebenen (weit überwiegend Frauen), nicht so einfach geleistet werden können.
  • Gute, routinierte Fachkräfte mussten ihre – teils geliebte – Fachlichkeit verlassen, um Familienpflichten weiter nachkommen zu können.
  • Die Ausweitung von Servicezeiten (z.B. im RIM) bedeutet den Zwang zur Arbeit zu Zeiten, die alles andere als familienfreundlich sind. Teilzeitkräfte können nicht „mal eben“ Projekte übernehmen und sich den Führungskräften zeigen.
  • Telearbeit wird verwehrt oder die Antragsteller*innen werden in Erklärungsnöte zur privaten Situation gebracht, die keine Führungskraft etwas angehen. Homeoffice wurde als „vor der Arbeit drücken“ angeprangert.
  • Dass Lebensbegleitende Berufsberatung durch mehr Tätigkeit an Schulen und in den Abendstunden die gewohnten Arbeitsformen der Beratungskräfte verändert, ist an sich kein Problem. Aber es ist auch eine Veränderung, die wiederum die Kolleg*innen in Familienpflichten vor besondere organisatorische Herausforderungen stellt.

Leider ist diese Aufzählung alles, nur nicht vollständig!

Die Corona-Krise mit ihren extremen Einschränkungen hat plötzlich Änderungen von Arbeitsweisen, z. B. die verstärkte Nutzung des Homeoffice, Nutzung neuer Medien (Videoberatung, Skype-Konferenzen), die zuvor kritisch beäugt wurden, in ein positives Licht gestellt. Das ist im Prinzip eine gute Entwicklung, gar keine Frage! Aber diese Veränderungen müssen planbar, flächendeckend und von Dauer sein.
Die vbba Frauenvertretung fordert, dass die oben dargestellten Probleme bei weiteren Organisationsänderungen („BA der Zukunft“) verstärkt und ernsthaft in den Blick genommen, bessere Lösungen gefunden werden.
Die Nutzung moderner Arbeitsmittel und Arbeitsformen muss dauerhaft ermöglicht werden, wenn der Corona-Krisenmodus überstanden ist sowie bei jeder weiteren Organisationsänderung.
Nur so können die BA und die Jobcenter das sein oder werden, was sie in der Außenwirkung gerne sein wollen: Attraktive, moderne und familienfreundliche Arbeitgeber/Dienstherren. Moderne Verwaltungen, die dadurch eine größere Attraktivität für engagierte Frauen und Männer auch mit Familienpflichten bieten.
Die vbba Frauenvertretung wird die weiteren Modernisierungs- und Änderungsansätze gerade im Hinblick auf diese Fragestellungen kritisch-konstruktiv begleiten. Wir bringen uns gerne im Interesse der Frauen in BA und Jobcentern aktiv ein!
Annette von Brauchitsch-Lavaulx
für die vbba-Frauenvertretung

Foto: Sabine Hühner